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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 10.05.2000
Aktenzeichen: 1 U 1108/96
Rechtsgebiete: BGB, AGB-Gesetz, ZPO


Vorschriften:

BGB § 313
BGB § 654
BGB § 652
AGB-Gesetz § 9
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 540
ZPO § 775 Nr. 1
Leitsätze:

Zur Vereinbarung und dem Zustandekommen eines Nachweismaklervertrages, der ganz besondere Treuepflichten gerade auch für den Makler begründet.

Tritt der Makler als Mitbewerber seines am Kauf interessierten Auftraggebers auf, begibt er sich aus der Position des Maklers heraus, handelt treuwidrig und ist ersatzpflichtig.


Geschäftsnummer: 1 U 1108/96 1 O 377/95 LG Mainz

Verkündet am 10. Mai 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES GRUNDURTEIL

in dem Rechtsstreit

wegen positiver Verletzung einer Maklervertrags.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaessner sowie die Richter am Oberlandesgericht Stein und Dr. Itzel auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. Juni 1996 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz abgeändert, soweit zum Nachteil der Klägerin - mit Ausnahme des Ausspruchs über die Zinsen - entschieden worden ist.

Der Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz wegen der Verletzung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Maklervertrages ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Zur Verhandlung über die Höhe des Anspruchs wird der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt Rückzahlung einer sogenannten Reservierungsgebühr und darüber hinaus Schadensersatz.

Die Beklagte inserierte am 17. September 1994 eine neuwertige Dachgeschosswohnung mit einer Fläche von 90 qm zum Preis von 298.000 DM (Bl. 7 GA). Am folgenden Tag besichtigten die Klägerin sowie ihr Lebensgefährte, der Zeuge C, das Objekt und bekundeten ihr Interesse. Sie erhielten mit Schreiben vom 19. September 1994 (Bl. 8, 72 GA) die Wohnung betreffende Unterlagen übersandt. In dem Schreiben wird darauf hingewiesen, die Nachweisgebühr von 5 % zuzüglich Mehrwertsteuer werde (erst) fällig, wenn der notarielle Kaufvertrag unterzeichnet sei.

Am 20. September 1994 erklärten die Klägerin und ihr Lebensgefährte nach einer erneuten Besichtigung der Wohnung die Bereitschaft, diese zu erwerben. Sie unterzeichneten eine Reservierungsvereinbarung (Bl. 9 GA), die einen Notartermin für den 26. September 1994 vorsah, und sie zahlten die Reservierungsgebühr in Höhe von 1.400 DM.

Zum Abschluss des notariellen Kaufvertrages kam es nicht. Die einzelnen Umstände, die zum Scheitern des Erwerbs geführt haben, sind zwischen den Parteien umstritten.

Unstreitig hatte die Beklagte jedoch die Eigentumswohnung mit notariellem Vertrag vom 22. September 1994 (Bl. 165 - 174 GA) zum Kaufpreis von 260.000 DM selbst angekauft.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Bei Unterzeichnung der Reservierungsvereinbarung sei ihr, der Klägerin, zugesagt worden, sie erhalte alle sich auf die Wohnung beziehenden Unterlagen wie den notariellen Vertragsentwurf, einen Grundbuchauszug, den Lageplan und weiteres mehr (Bl. 26, 27 GA). Am 21. September 1994 habe die Beklagte aber mitgeteilt, ihr sei es nicht möglich, die Unterlagen kurzfristig zu beschaffen. Es sei zweckmäßiger, den Notartermin auf den 28. September 1994 zu verlegen. Die Reservierungsvereinbarung werde hierdurch nicht außer Kraft gesetzt.

Erst am 27. September 1994 sei der Entwurf des Kaufvertrages (Bl. 73 - 82 GA) eingegangen. Als Verkäufer sei die Beklagte aufgeführt und ihr Geschäftsführer habe vorgeschlagen, die Maklergebühr in Höhe von 5,75 % um den Anteil der Mehrwertsteuer zu senken. Mit der verbleibenden Maklergebühr von 5 % hätte sich nach dem Vorschlag der Beklagten der Endpreis sodann auf 312.900 DM gestellt. 14.900 DM hätten dem Geschäftsführer bei der Vertragsunterzeichnung entweder bar oder durch Scheck gezahlt werden sollen.

Am Folgetag habe die Beklagte den Notartermin abgesagt, nachdem der Zeuge angerufen und auf der ursprünglichen Durchführung des Kaufvertrages bestanden hätte.

Die Eigentumswohnung, die sie am 20. Oktober 1994 erworben habe, sei mit der von der Beklagten nachgewiesenen Wohnung vergleichbar, habe jedoch 365.000 DM gekostet. Die Maklercourtage habe 20.987,50 DM ausgemacht.

Die Mehrkosten berechneten sich wie folgt (Bl. 4, 5 GA):

67.000,00 DM|Kaufpreisdifferenz|3.852,50 DM|Provisionsmehrkosten|3.350,00 DM |Mehrkosten Notar usw.|100,83 DM|weitere Bereitstellungsprovision|88,40 DM |Fahrtkosten|31,60 DM|Telefonkosten|1.400,00 DM|Reservierungsgebühr |75.823,33 DM|(gefordert: 75.922 DM)

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie, Klägerin, 75.922 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22. Juni 1995 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgebracht:

Den Notartermin vom 26. September 1994 habe am 21. September 1994 mit der Begründung storniert, es seien noch verschiedene steuerliche Aspekte zu untersuchen. Dadurch sei die Reservierung hinfällig geworden, denn ein Reservierungspartner sei ausgeschieden. Darüber hinaus sei die Reservierungsfrist außer Vollzug gesetzt worden.

Da sie, Beklagte, die Wohnung habe halten wollen und weil der Verkäufer auf eine schnelle Veräußerung gedrängt habe, habe sie die Wohnung selbst erworben.

Am 27. September 1994 seien die Parteien sich noch einig gewesen, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte die Wohnung zu einem um 5 % höheren Kaufpreis unter Wegfall der Maklerprovision kauften. Am folgenden Tag habe C aber angerufen und erklärt, dass der Vertrag mit diesem Inhalt doch nicht zustande komme. Darauf habe sie, Beklagte, den Notartermin vom 28. September 1994 abgesagt.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme (Bl. 43 - 46, 53 - 61 GA) die Beklagte verurteilt, die Reservierungsgebühr zurückzuzahlen. Im Übrigen hat es - auch hinsichtlich eines geringen Zinsanteils - die Klage abgewiesen.

Nach Auffassung des Landgerichts ist die vorformulierte Reservierungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam. Ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht, da die Klägerin das neue Angebot zu den veränderten Bedingungen nicht angenommen habe. Darüber hinaus könnten solche Ansprüche auch nicht auf die unwirksame Reservierungsvereinbarung gestützt werden.

Gegen das Urteil des Landgerichts (Bl. 87 - 93 R GA) hat die Klägerin Berufung eingelegt (Bl. 95, 98 GA).

Sie bringt vor:

Der Vorschlag des Geschäftsführers T bei der Besprechung vom 27. September 1994, 5 % aus dem Preis von 298.000 DM auf den Kaufpreis aufzuschlagen, sei nur erfolgt, damit die Maklergebühr nicht in den Büchern erscheine. Hierzu habe sie, Klägerin, sich nicht sofort äußern wollen und habe um Bedenkzeit gebeten. Um nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt zu sein, hätten sie und ihr Lebensgefährte auf der ursprünglich beabsichtigten Durchführung des Kaufvertrages bestanden. Entgegen der Meinung des Landgerichts sei der Reservierungsvertrag wirksam und bindend. Er sei individuell ausgehandelt worden und bedürfe auch nicht der Schriftform gemäß § 313 BGB.

Selbst wenn die Vereinbarung dem AGB-Gesetz unterfalle, verstoße sie jedoch nicht gegen § 9 AGB-Gesetz. Auf ihre Unwirksamkeit könne sich die Beklagte nach Treu und Glauben nicht berufen, denn niemand könne mit Erfolg aus einer eigenen Vertragsverletzung zu seinen Gunsten Rechte herleiten, um sich übernommener Vertragspflichten zu entledigen. Zwischen den Parteien hätte ein Treueverhältnis bestanden. Die Beklagte habe sich grob treuwidrig verhalten, indem sie die Eigentumswohnung selbst erworben habe und sie, Klägerin, weder hiervon noch von dem Preis von nur 260.000 DM informiert habe. Der Verkäufer A hätte bis zu dem vorgesehenen neuen Notartermin am 28. September 1994 gewartet und die Wohnung an sie, Klägerin, verkauft, wenn er von ihrem Angebot gewusst hätte. Der seinerzeitige Verkehrswert des ihr entgangenen Objekts sei mit mindestens 360.000 DM zu beziffern.

Sie, Klägerin, stütze ihre Ansprüche in erster Linie auf den entgangenen Erwerbsvorteil aus dem nicht zustande gekommenen Geschäft über die Wohnung in M und hilfsweise auf den teureren "Deckungskauf" (Bl. 182 GA).

Die Klägerin beantragt,

das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie, Klägerin, über die vom Landgericht zuerkannten 1.400 DM nebst Zinsen hinaus weitere 74.522 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 26. Juni 1995 zu zahlen

und

hilfsweise in teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu erkennen, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach zusteht, und den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Höhe an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und trägt vor:

Die Bindung aus der Reservierungsvereinbarung sei entfallen nachdem die Klägerin endgültig abgesagt habe. Eine weitere Bindung habe nicht bestanden; insbesondere habe es zwischen den Parteien kein anderes Vertragsverhältnis gegeben.

Da der Veräußerer gedrängt habe, hätte die Klägerin das Objekt nur erwerben können, indem sie, Beklagte, die Eigentumswohnung selbst übernommen hätte, um sie dann der Klägerin anzubieten. Insoweit habe sie alle Anstrengungen unternommen, die notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt und habe am 27. September 1994 die neuen Verhandlungen eingeleitet. Die Stornierung des Notartermins sei nur aus in der Person der Klägerin liegenden Gründen erfolgt.

Die Wohnung in und die "Ersatzwohnung" seien nicht zu vergleichen. Die "Ersatzwohnung" habe eine größere Grundfläche und sei auch preiswerter.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben auf der Grundlage der Beweisbeschlüsse vom 19. November 1999 (Bl. 190, 191 GA) sowie vom 25. Januar 2000 (Bl. 241 - 243 GA) durch Vernehmung der Zeugen A, H und C. Auf die Sitzungsniederschriften vom 11. Januar 2000 (Bl. 234 - 236 GA) und 12. April 2000 (Bl. 247 - 254 GA) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige nur gegen die Abweisung des 1.400 DM übersteigenden Betrags der Hauptforderung gerichtete Berufung ist begründet.

Die Klägerin hat dem Grunde nach Anspruch auf Schadensersatz wegen positiver Verletzung eines zwischen den Parteien abgeschlossenen Maklervertrages.

Hierüber entscheidet der Senat durch Zwischenurteil über den Grund (§ 304 ZPO) und verweist die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der (noch) geltend gemachten Schadensersatzansprüche an das Landgericht zurück (§ 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

1. Zwischen den Parteien ist ein Nachweismaklervertrag zustande gekommen (§ 652 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB).

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt in dem Falle, dass - wie hier - ein Objekt dem Makler vom Veräußerer an die Hand gegeben wird, ein Maklervertrag mit dem Interessenten (erst) dann zustande, wenn dieser nach Zugang des Provisionsverlangens weitere Maklerdienste entgegennimmt (vgl. BGH VersR 1991, 371 sowie Nachweise bei Schwerdtner, Maklerrecht, 4. Aufl. 1999, Rnrn. 94 ff).

Das war hier der Fall.

b) Nachdem die Klägerin und ihr Lebensgefährte durch das Zeitungsinserat vom 17. September 1994 Interesse am Erwerb der Eigentumswohnung gewonnen und die Wohnung am 18. September 1994 besichtigt hatten, erhielten sie am 19. September 1994 das Schreiben der Beklagten (Bl. 8 GA), in dem unmissverständlich auf das Entstehen der Nachweisgebühr bei Abschluss eines notariellen Kaufvertrages hingewiesen wird.

Am 20. September 1994 fand in Anwesenheit des Zeugen H der Beklagten eine erneute Besichtigung statt. An diesem Tag wurde die Reservierungsvereinbarung abgeschlossen, die Reservierungsgebühr gezahlt und der Notartermin, den die Beklagte mit dem Notariat zuvor abgestimmt hatte, auf den 26. September 1994 festgelegt.

Somit hatte die Beklagte nach Hinweis auf die Provisionspflicht weitere Maklertätigkeiten entfaltet, die die Klägerin in Kenntnis der Provisionspflicht entgegennahm. Dies führte zum Vertragsabschluss.

c) Es kann dahinstehen, ob die Reservierungsvereinbarung für sich gesehen - wirksam ist.

In einer Reservierungsvereinbarung verpflichtet sich der Makler, das Objekt während eines bestimmten Zeitraums dem Vertragspartner zu reservieren, es also keinem Dritten anzubieten. Dafür verspricht der Kunde eine Gebühr, die regelmäßig, aber nicht immer, geringer ist, als die übliche Maklerprovision (vgl. BGH NJW-RR 1992, 817; NJW 1988, 1716 und NJW 1987, 1634).

Eine formularmäßig getroffene Reservierungsvereinbarung tritt neben den Maklervertrag und modifiziert in einem gewissen Umfang die hieraus entspringenden Haupt- und Nebenpflichten.

Ist die Reservierungsklausel als Vertragsklausel unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen bestehen (§ 6 Abs. 1 AGB-Gesetz) und der Inhalt des Vertrages richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 6 Abs. 2 AGB-Gesetz):

Entscheidend ist nur, ob nach dem gesetzlich bestimmten Inhalt eine Pflichtverletzung der Beklagten festzustellen ist, die ihre Schadensersatzpflicht zu begründen vermag.

Das ist hier der Fall.

2. Zwischen dem Makler und dem Auftraggeber besteht ein besonderes Treueverhältnis.

a) Der Makler ist verpflichtet, den Auftraggeber über alle für den Vertragsschluss bedeutsamen Umstände aufzuklären und dies selbst dann, wenn sie geeignet sind, den Auftraggeber von dem Vertragsschluss abzuhalten und damit den Anfall der Provision zu gefährden (BGH WM 1982, 428). Der Makler hat die Pflicht, als sachkundige Person den Auftraggeber richtig zu beraten und er ist verpflichtet, jegliches Verhalten zu unterlassen, was den Abschluss und die Durchführung des (Haupt-)Vertrages gefährden könnte. Hierbei spielt der Unterschied zwischen Nachweis- und Vermittlungsvertrag grundsätzlich keine Rolle. Der Nachweismakler, der mit Rücksicht auf die Abhängigkeit des Provisionsanspruchs vom Zustandekommen des Hauptvertrages Vermittlungstätigkeit entfaltet, indem er im Einverständnis mit dem Auftraggeber an dessen Stelle mit der Vertragsgegenseite verhandelt, muss genauso wie ein Vermittlungsmakler alle erkennbar für den Vertragsschluss wesentlichen Umstände an den Auftraggeber weitergeben. Diese Aufklärung beschränkt sich auf die dem Makler in ihrer Bedeutung für den Auftraggeber erkennbaren Umstände; er muss nicht etwas mitteilen, von dem er den Verhältnissen nach annehmen darf, dass es dem Auftraggeber ohnehin bekannt ist oder doch von anderer Seite vermittelt wird (Staudinger-Reuter, BGB, 13. Bearbeitung 1995, §§ 652, 653 Rn. 185 m.w.N.).

b) Die Beklagte hat durch ihren Geschäftsführer T (§ 31 BGB) in grober Weise die ihr obliegenden Informations- und Unterlassungspflichten verletzt und zwar zu einer Zeit, als die Nachweistätigkeit noch nicht abgeschlossen und auch keine endgültige Absageerklärung der Klägerin vorlag.

aa) Im Falle des Eigengeschäfts des Maklers hat der Bundesgerichtshof die Interessen- und Pflichtenlage besonders hervorgehoben (NJW 1983, 1847/1848; vgl. auch WM 1978, 245):

"Der Makler ist zu treuer und gewissenhafter, dem Interessen seines Auftraggebers entsprechender Ausführung seiner Aufgaben verpflichtet. Diese Pflicht hat erhebliches Gewicht. Sie ist durch den Verwirkungsgedanken des § 654 BGB und daneben durch die Möglichkeit, Schadensersatz wegen positiver Forderungsverletzung zu verlangen, in weitem Umfang sanktioniert. Auch den Makler, der nur Nachweismakler ist, trifft eine nachwirkende Treuepflicht. Deshalb hat er nach bereits erfolgtem Nachweis die Interessen seines Auftraggebers grundsätzlich zu wahren. Mit einer solchen Interessenwahrung ist ein Tätigwerden auch im Interesse des (zukünftigen) Vertragsgegners des Auftraggebers, ohne dass dieses aufgedeckt wird, ebensowenig zu vereinbaren, wie der Versuch des Maklers, im Interesse eines anderen konkurrierenden Kunden oder im eigenen Provisionsinteresse das abschlussreife Geschäft zu hintertreiben... Eine Interessenkollision, die eine sachgemäße Wahrung der Interessen des Auftraggebers unmöglich macht, liegt aber auch und gerade bei einem deutlichen Eigeninteresse des Maklers vor... Tritt der Makler in dieser Weise als Mitbewerber seines am Kauf interessierten Auftraggebers auf, dann begibt er sich aus der Position des Maklers in die andere des Käufers. Dieser Schritt offenbart, dass der Makler nun das Gegenteil des vorher von ihm angestrebten will: Sein Auftraggeber soll gerade nicht mehr kaufen... Der Makler begibt sich mit diesem Schritt überhaupt seiner Position als Makler; er gibt sie auf. Wie der Doppelmakler, der treuwidrig und einseitig den anderen Vertragspartner berät, "sagt er sich sozusagen von seinem Vertrag mit dem Auftraggeber los" (so Weber, Anm. LM § 654 BGB Nr. 5).

Im Falle eines unlösbaren Interessenkonflikts muss der Makler von weiterer Tätigkeit absehen (LM § 652 BGB Nr. 33), es sei denn, dass der Auftraggeber trotz Aufdeckung dieses Konflikts weitere Tätigkeit wünscht."

bb) Diese Grundsätze kommen hier erst recht zum Tragen, denn die Beklagte hatte den Nachweis überhaupt noch nicht - ausreichend - erbracht.

Die nach § 652 BGB dem Nachweismakler obliegende Leistung besteht in dem "Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages" (des sog. Hauptvertrags). Damit ist eine Mitteilung des Maklers an seinen Kunden gemeint, durch die dieser in die Lage versetzt wird, in konkrete Verhandlungen über den von ihm angestrebten Hauptvertrag einzutreten. Der Hinweis auf ein mögliches Vertragsobjekt genügt für sich allein nicht (BGH NJW-RR 1996, 691).

Da der Kunde derartige Verhandlungen nur einleiten kann, wenn er auch erfährt, an wen er sich wegen des angestrebten Vertrages wenden muss, wird der Immobilienmakler seinem am Kauf interessierten Kunden im Allgemeinen nicht nur das konkrete Objekt zur Kenntnis bringen, sondern auch den Namen und die Anschrift des potentiellen Vertragspartners nennen müssen (vgl. Nachweise bei Schwerdtner, aaO Rn. 239, FN 49).

Diese Leistung hatte die Beklagte unstreitig bis zum Selbstankauf nicht erbracht.

Wenn sie einen bzw. zwei Tage nach Abschluss des Maklervertrags, der Unterzeichnung der Reservierungsvereinbarung, der Zahlung der Reservierungsgebühr und der Bestimmung eines Notartermins ohne den ausreichenden Nachweis erbracht zu haben mit dem Verkäufer selbst den Kaufvertrag abschloss, wiegt dieser Verstoß besonders schwer. Die Beklagte hatte dem Verkäufer gegenüber den Kaufpreis wohl "heruntergehandelt", von dem um 38.000 DM günstigeren Kaufpreis der Klägerin aber ebensowenig Mitteilung gemacht wie von dem Umstand, dass sie selbst erwerben wollte und erworben hat.

Dies ist eine schuldhafte positive Verletzung des Maklervertrages.

c) Die Beklagte kann nicht darauf verweisen, nur über diesen Umweg wäre es wegen des Drängens des Verkäufers überhaupt möglich gewesen, der Klägerin den Erwerb des Objekts zu ermöglichen.

Wie der Veräußerer, der Zeuge A, bekundet hat (Bl. 234 - 236 GA), wollte dieser zwar die Wohnung "möglichst schnell loswerden". Er, so der Zeuge, habe sich aber nicht in einer wirtschaftlichen Notlage befunden und ihm sei es auf zwei, vier oder acht Wochen nicht angekommen. Wenn er gewusst hätte, dass ihm die Klägerin 298.000 DM bieten würde, hätte er an sie verkauft.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

d) Die Beklagte kann auch nicht darauf verweisen, die Klägerin habe sich bereits am 21. September 1994 der Beklagten gegenüber losgesagt; diese sei deshalb an diesem Tag aus der Treuepflicht entlassen worden.

Die Beklagte nimmt für sich in Anspruch, wegen endgültigen Erlöschens des Kaufinteresses ihres Kunden auf diesen nicht mehr Rücksicht nehmen zu müssen. Weil der Makler für sich Vorteile daraus ableiten will, dass der Kunde ihn aus der Treuepflicht entlassen hat, muss er den Beweis für die endgültige Absageerklärung des Kunden erbringen (BGH WM 1991, 1995/1997 und Anm. Vollkommer EWiR § 654 BGB 1/91, 1183).

Diesen Beweis hat die Beklagte nicht geführt. Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme demgegenüber positiv davon überzeugt, dass die Klägerin am 21. September 1994 keine Absage erklärt hat.

aa) Der früher bei der Beklagten beschäftigte Zeuge H hat vor dem Landgericht allerdings ausgesagt, von der Klägerseite sei der Notartermin abgesagt worden, weil noch nicht klar gewesen sei, ob beide oder nur einer von den beiden Interessenten erwerben würde. Er, Zeuge, könne aber nicht mehr sagen, ob nur der Notartermin habe verschoben werden sollen, die Reservierungsvereinbarung hingegen in jedem Falle habe erhalten bleiben sollen (Bl. 54 GA).

Die Reservierung sei doch bestehen geblieben; die Konditionen seien geblieben (Bl. 55 GA). Jedenfalls sei die Reservierungsvereinbarung aber wegen des Ausscheidens eines der beiden Interessenten gegenstandslos geworden (Bl. 56 GA). Wer das Telefonat - die Klägerin oder ihr Lebensgefährte - geführt habe, wisse er nicht. Er könne sich auch nicht festlegen, ob ein oder zwei Tage nach Abschluss der Reservierungsvereinbarung die Absage ausgesprochen worden sei (Bl. 56 GA).

Im Senatstermin vom 12. April 2000 (Bl. 247 - 254 GA) hat er hingegen eindeutig bekundet, ein oder zwei Tage darauf habe die Klägerin angerufen und erklärt, "sie wollten die Wohnung nicht kaufen. Der Notartermin solle aufgehoben werden".

Auf Vorhalte im Zusammenhang mit der sogenannten Telefonliste erklärte der Zeuge zum Anruf vom 21. September 1994, um 13.37 Uhr, er entnehme der vermerkten Rückrufnummer, dass er den Anruf nicht habe entgegennehmen können. Ob er dann die Klägerin angerufen habe oder doch mit ihr bei diesem Telefonat gesprochen habe, daran könne er sich nicht entsinnen (Bl. 249 GA).

bb) Der Senat folgt den Bekundungen des Zeugen C.

Er hat beim Landgericht ausgesagt (Bl. 57 - 60 GA), er habe dem Zeugen H am 21. September 1994 mitgeteilt, dass noch einzelne Unterlagen fehlten. Dieser habe dann den Vorschlag gemacht, den Notartermin um zwei Tage hinauszuschieben, denn vorher habe der Notar den Entwurf des Kaufvertrages auch nicht bringen können (Bl. 58 GA). Auf die Reservierungsfrist von fünf Tagen angesprochen, habe der Zeuge H erwidert, die Reservierungsvereinbarung bliebe bestehen; der Notartermin sei ja nur zwei Tage (26., 28. September 1994) später (Bl. 58, 60 GA).

Vor dem Senat hat der Zeuge diese Aussage im Wesentlichen bestätigt.

Es sei wohl so gewesen, dass ihn der Zeuge H am 21. September 1994 angerufen habe. Es sei darum gegangen, dass der Notar den Vertragsentwurf nicht so schnell habe fertigen können, dass die Unterlagen noch nicht alle zusammen gewesen seien und ob deshalb der Notartermin habe verschoben werden können. Hiermit habe er, der Zeuge C, sein Einverständnis erklärt. Die Reservierungsvereinbarung verlängere sich - so habe der Zeuge H erklärt - automatisch (Bl. 252 GA).

Wenn ihm, dem Zeugen, die anderslautende Aussage des Zeugen H vorgehalten werde, erkläre er, das sei nicht richtig. Man zahle doch nicht am Vorabend 1.400 DM für die Reservierungsvereinbarung, um dann am nächsten Morgen zu erklären, man wolle die Wohnung nicht mehr. Die ganze Prozedur (Vertragsentwurf, Bank, Steuerberater) sei von ihrer Seite ja auch weitergelaufen (Bl. 253 GA).

cc) Die Aussage des Zeugen H von der Vertragslossagung der Klägerin am 21. September 1994 ist nicht glaubhaft.

Im Gerichtstermin vom 30. April 1996 hat der Zeuge nur von einer Absage des Notartermins gesprochen, weil noch nicht klar gewesen sei, ob beide erwerben würden. Die Reservierung sei doch bestehen geblieben.

Es ist nicht nachvollziehbar, wieso der Zeuge fast vier Jahre später auf diesen Termin genau wissen will, man habe am 21. September 1994 telefonisch erklärt, die Wohnung nicht kaufen zu wollen und die Reservierungsvereinbarung sei hinfällig. Diese Erinnerung stelle sich mit Hilfe der Telefonliste ein (!).

Glaubwürdig ist demgegenüber der Zeuge C. Er hat widerspruchsfrei und nachvollziehbar zur Sache in beiden Instanzen bekundet und er hat zu Recht darauf hingewiesen, es sei doch unverständlich, am Vortage 1.400 DM zu zahlen, um dann am nächsten Tage vom Verkauf Abstand zu nehmen. Sieht man darüber hinaus, dass die Frage eines Nachmieters besprochen worden ist und dass die Vorbereitungen auf der Klägerseite ungestört weiterliefen, unterstreicht dies den Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen C.

Wenn also am 21. September 1994 der Notartermin tatsächlich verschoben worden ist und wenn an diesem Tage auch noch unklar war, ob die Klägerin und ihr Lebensgefährte die Wohnung gemeinsam erwerben würden, kann dem nicht der Erklärungswert einer endgültigen Absage des Kunden beigemessen werden.

e) Der Einwand der Beklagten, dass in dem Moment, als der Zeuge C als Kaufinteressent ausgeschieden sei, keine Bindungen aus dem Treueverhältnis mehr bestanden hätten, greift nicht durch.

Nach der Überzeugung des Senats erfolgte dies weit nachdem Ankauf des Objekts durch die Beklagte am 22. September 1994.

f) Schließlich hätte auch der Umstand, dass die Klägerin die Wohnung allein erworben hätte, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Identität keine Rolle gespielt.

Die Klägerin und ihr Lebensgefährte waren beide Vertragspartner eines Maklervertrages. Sie hatten auch beide die Reservierungsvereinbarung unterzeichnet. In einem solchen Fall ändert sich an den Vertragspflichten und insbesondere an der Provisionszahlungspflicht nichts, wenn allein der Lebensgefährte das Objekt erwirbt (BGH NJW 1991, 490).

3. Die Klägerin war nach Treu und Glauben auch nicht verpflichtet, das neue Angebot der Beklagten anzunehmen.

a) Wie der Zeuge C bekundet hat, ist von Seiten der Klägerin am 27. September 1994 kein Einverständnis mit der Beklagten über den Ankauf zu den geänderten Bedingungen erzielt worden (Bl. 58 GA). Bei diesem Gespräch mit dem Geschäftsführer T war der Zeuge H nicht zugegen, wie er selbst ausgesagt hat (Bl. 55 GA). Im Übrigen würde eine solche Verpflichtung an § 313 BGB scheitern.

b) Durch Treubruch, nämlich durch Verschweigen eines wesentlich geringeren Kaufpreises, durch Verschweigen des Erwerbs durch die Beklagte in dem offensichtlichen Bestreben, hieraus unter Umgehung der Steuer weiteren Gewinn zu erzielen, ist die Beklagte erst in die Veräußererposition gelangt und hat ihre Maklerposition aufgegeben.

Mit einem solchen - neuen - Verkäufer musste sich die Klägerin nicht zu den neu vorgeschlagenen Konditionen einlassen. Damit scheidet auch ein Mitverschulden (S 254 BGB) an der Schadensentstehung aus.

4. Die Klägerin hatte schließlich bis zur Absage der Beklagten am 28. September 1994 ungebrochene Erwerbsabsicht. Dies ist von dem Zeugen eindrucksvoll und für den Senat überzeugend dargestellt worden.

5. Rechtsfolge der positiven Vertragsverletzung der Beklagten ist die, dass alle durch das schädigende Ereignis, den Treubruch der Beklagten, adäquat verursachten unmittelbaren und mittelbaren Vermögensnachteile auszugleichen sind (BGH ZIP 1989, 856). Solche Vermögensnachteile hat die Klägerin dargelegt und unter Beweis gestellt.

Die für den Erlass des Grundurteils (§ 304 ZPO) erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist zu bejahen.

Wenn das Objekt in zugunsten der Nassauischen Sparkasse mit einer Grundschuld von 360.000 DM belastet war (vgl. Bl. 166 GA), spricht schon dieser Umstand nach der Lebenserfahrung dafür, dass das Objekt im Jahre 1994 einen erheblich höheren Verkehrswert als 298.000 DM oder gar nur 260.000 DM gehabt hat, denn in der Regel beleiht keine Bank mit über 80 % oder gar über den Verkehrswert hinaus.

Im Übrigen spricht auch eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass die weiteren Kosten (Provisionsmehrkosten, Mehrkosten Notar, Bereitstellungsprovision, Fahrtkosten, Telefon) angefallen sind.

6. Der Senat hat gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zurückverwiesen und nicht von der Möglichkeit der eigenen Sachentscheidung gemäß § 540 ZPO Gebrauch gemacht.

Es ist vor allem durch Einholung von Sachverständigengutachten zu klären, welchen Wert das Grundstück in hatte (primäre Schadensberechnung, Bl. 182 GA) und/oder inwieweit die Wohnungen in und Sch untereinander vergleichbar waren und wie sich unter Berücksichtigung dessen der Schaden ermittelt (sekundäre Schadensberechnung, Bl. 182 GA).

Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, erstinstanzlich nicht geschaffene Entscheidungsgrundlagen in zweiter Instanz zu erarbeiten (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 540 Rn. 5).

Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist im Hinblick auf § 775 Nr. 1 ZPO angezeigt.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 74.522 DM; in dieser Höhe ist die Beklagte durch das Urteil des Senats beschwert.

Ende der Entscheidung

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